Die Windenergie ist eines von wenigen Themen, bei dem sich Umweltschützer uneins sind. Obwohl sich alle von ihnen dem Ziel verschrieben haben, die Natur zu erhalten, tut sich bei diesem Thema ein Graben zwischen ihnen auf. „Alle wissen gute Argumente auf ihrer Seite“, fasste Jürgen van der Horst, Bürgermeister von Bad Arolsen, diese Gemengelage in seinem Grußwort zusammen: die Befürworter wie auch die Gegner der Windenergieanlagen, die Arten- wie die Klimaschützer.
Aber nicht nur Arten sind ein häufiges Argument gegen den Bau von Windenergieanlagen, vielfach besteht auch Sorge, dass der Tourismus darunter leiden könne. „Auf rationaler Ebene hat kaum jemand Probleme mit Windenergieanlagen, sofern sie nicht bei ihm zu Hause stehen“, sagte Heinz-Dieter Quack, Tourismusforscher an der Hochschule Ostfalia in Wolfenbüttel, der als einer von vier Referenten in Bad Arolsen vortrug. Windräder ist man ihm zufolge in einer Ferienregion eher bereit zu akzeptieren als in der eigenen Nachbarschaft. Dennoch sind Bedenken der Tourismus-Branche in diesem Zusammenhang nicht von der Hand zu weisen: Aus den meisten Umfragen in Urlaubsregionen gehe hervor, dass vier bis neun Prozent der Besucher Windräder als störend wahrnähmen, berichtete Quack.
Dass sich ältere Besucher stärker an Windenergieanlagen stören als jüngere, beruhigt Klaus Dieter Brandstetter, Geschäftsführer der Touristik Service Waldeck-Ederbergland GmbH, jedoch nicht. Die meisten Gäste seiner Region in Nordhessen seien älter als fünfzig Jahre und kämen, wie er aus Befragungen weiß, vor allem der landschaftlichen Schönheit wegen. Angesichts der zunehmenden Windenergieanlagen hält er einen Rückgang der Besucherzahlen für wahrscheinlich. Brandstetter fordert deshalb, die Verspargelung der Landschaft unbedingt zu vermeiden und Touristiker frühzeitig in die Planungen miteinzubeziehen. Seiner Meinung nach sollten touristische Belange als weiches Ausschlusskriterium für Windenergie gelten können.
Anja Hentschel, Juristin mit Schwerpunkt Energierecht an den Universitäten Kassel und Luzern erläuterte, dass es kein Gesetz gebe, dass dem Tourismus Vorrang vor anderen Arten der Flächennutzung einräumt. Deshalb könne die Regionalplanung den Tourismus auch nur mittelbar berücksichtigen: Sie habe eine gesetzliche Handhabe dafür, beispielsweise Denkmäler oder Naturräume zu schützen – sodass touristische Belange in der Praxis über solche Umwege Berücksichtigung finden können.
Jan Lembach, ehemaliger Geschäftsführer des Naturparks Nordeifel, berichtete, dass dort rund 150 Windenergieanlagen stünden. Sechs Prozent der Eifel-Besucher hätten in Befragungen zwar angegeben, wegen den Windrädern nicht wiederkommen zu wollen, doch dieser Prozentsatz schrecke ihn auch in seiner neuen Funktion als Bürgermeister der Gemeinde Dahlem nicht. Dort sind bisher drei Windenergieanlagen gebaut, fünfzehn weitere sollen hinzukommen. Sie liegen im kommunalen Wald. Falls es durch schwindende Besucherzahlen zu Verdienstausfällen komme, könne man dies durch Pachteinnahmen ausgleichen, meinte Lembach. Vor diesem Hintergrund sieht er nicht einmal Anlass dazu, die Windenergieanlagen touristisch zu vermarkten.
Mancherorts wird das bereits praktiziert. Eine Anekdote aus dem Vortrag von Heinz-Dieter Quack macht Hoffnung darauf, dass diesbezügliche Bemühungen nicht vergebens sind: Die erste Auflage des Baedeker-Reiseführers mit dem Titel „Erneuerbare Energien erleben“ sei jedenfalls nach drei Monaten vergriffen gewesen.