Zustimmung in Lich für die Windenergie
Bürgermeister Dr. Julien Neubert begrüßte die rund 150 interessierten Bürgerinnen und Bürger sowie politischen Mandatsträgerinnen und -träger aus den Kommunen Lich, Fernwald und Pohlheim zur ersten Veranstaltung im neu sanierten Bürgerhaus in Lich. Er gibt einen kurzen Überblick über die Historie der Entstehung des Windvorranggebiets Höhlerberg (VRG 4117), das zwischen den drei oben genannten Kommunen liegt. Auf dem Höhlerberg finden derzeit Planungen für zwei Anlagen vom Typ Nordex N 163 durch die Windenergie-Projektentwickler Qair Deutschland GmbH und Koehler Renewable Energy GmbH statt. Eines der Windräder soll auf Flächen der Stadt Lich errichtet werden, das andere auf Flächen der Gemeinde Fernwald (Gemarkung Steinbach). Bereits im Juni 2020 wurde die Öffentlichkeit im Rahmen des Landesprogramms „Bürgerforum Energiewende Hessen“ in einem an die Pandemie angepassten Format, den Bürgergesprächen, über das Thema Windenergie und Klimaschutz in Lich und das Vorhaben auf dem Höhlerberg informiert. Schon früh zeigte sich, dass das Windenergie-Vorhaben vor Ort mehrheitlich begrüßt wird, kritische Stimmen dagegen gab und gibt es vergleichsweise wenig. Nach einer längeren Planungsphase genehmigte das Regierungspräsidium Gießen im März 2023 die Errichtung der beiden Windenergieanlagen im Windpark Höhlerberg.
Der Erste Beigeordnete der Gemeinde Fernwald, Gerhard Pitz, stellte in seiner Begrüßung fest, dass sich die anfängliche Ablehnung der Windenergie in Fernwald inzwischen auch in Zustimmung gewandelt hat: „Aus Gegenwind wurde Rückenwind“ so Pitz. Inzwischen plant die Kommune zusammen mit Buseck und Gießen einen gemeinsamen Windpark mit fünf Anlagen in einem anderen Vorranggebiet (4114a).
Abwägung Windenergie – Gesellschaft – Naturschutz wichtig
„Die Nutzung der Windenergie ist ein gesellschaftlicher Abwägungsprozess“, betonte Christopher Lüning von der LandesEnergieAgentur Hessen (LEA). Die Kosten (z. B. Landschaftsbild, Eingriff in Natur & Wald, Schall & Schatten) und der Nutzen (z. B. Wertschöpfung vor Ort, Einsparung fossiler Brennstoffe) sollten, auch im Vergleich zum Einsatz fossiler Energien, ehrlich vor Ort diskutiert werden. Um das Ziel einer Klimaneutralität in Hessen bis 2045 zu erreichen, ist die Strom- und Wärmeversorgung vorrangig durch Wind und Photovoltaik vorgesehen. Hierzu hat das Land bislang 2 % der Landesfläche als Wind-Vorranggebiet ausgewiesen, mit dem Ziel, diese auf 2,2 % auszuweiten. Die LEA unterstützt mit den Dialog- und Informationsangeboten des Bürgerforums die Kreise und Kommunen bei der Umsetzung der Energiewende vor Ort.
Dass die Windenergie ein Beitrag für den Klimaschutz und zum Naturschutz ist, zeigte Dr. Werner Neumann, Sprecher des Bundesarbeitskreises Energie im wissenschaftlichen Beirat des BUND und Vorstandsmitglied beim BUND Landesverband Hessen, in seinem Vortrag. Die Windenergie bietet unter den Erneuerbaren Energien die preisgünstigste Stromerzeugung mit dem geringsten Flächenbedarf. Mit einer sorgfältigen Standortsuche sind die Ziele des Naturschutzes erreichbar. Beim Hessischen Energiegipfel 2011 wurde den Waldgebieten eine entscheidende Rolle für die Nutzung der Windkraft zugesprochen, da Waldgebiete aufgrund ihrer Höhenlage oft sehr windhöffig sind und ohne VRG im Wald das 2 %-Ziel nicht erreicht werden kann. Zusätzlich ist dort in den meisten Fällen der erforderliche Abstand zur Wohnbebauung gegeben. Der BUND spricht sich hier für Windenergie im Wald auf maximal 0,1 % der Waldfläche aus. Die realen Einwirkungen sind sehr gering und können mit guter Planung und Abschaltungen minimiert werden. Neumann betonte, dass die Windenergie vielfältige wirtschaftliche Vorteile durch eine Beteiligung für die Kommune und Bürgerschaft bietet und das Erreichen der kommunalen Klimaschutzziele unterstützt.
Projektentwickler betreiben Anlagen selbst
Die für die Projektierung des Windparks verantwortlichen Unternehmen wurden von Anna Fritsch, Projektleiterin von Qair, und Nicolas Christoph, Bereichsleiter Windkraft bei Koehler Renewable Energy, vorgestellt. Die Projektleiterin betonte, dass Qair den Windpark über den gesamten Lebenszyklus – also von der Standortanalyse über die Projektentwicklung und den Bau, während der Betriebsphase bis hin zum Rückbau oder Repowering betreut. Somit hat die Kommune mit Qair immer einen verantwortlichen Ansprechpartner. Nicolas Christoph erläuterte, dass sich die Koehler-Gruppe als energieintensiver Papierproduzent zum Ziel gesetzt hat, bis zum Jahr 2030 mehr Energie aus erneuerbaren Quellen mit eigenen Anlagen zu erzeugen, als für die eigene Papierproduktion benötigt wird. Hierfür gründete die Gruppe 2012 mit Koehler Renewable Energy ein eigenes Unternehmen, das Erneuerbare Energien-Projekte umsetzt.
Aktuelle Planung für den Windpark Höhlerberg
Anna Fritsch stellte die Planungen vor. Bereits genehmigt sind zum jetzigen Zeitpunkt zwei Anlagen vom Typ Nordex N 163 mit einer Nennleistung von 5,7 MW pro Anlage und einer Gesamthöhe von 246 m.
Durch ein Konzept der waldschonenden Bauweise konnte die Rodungsfläche je Windenergieanlage (WEA) um durchschnittlich 15 % gesenkt werden. Für die beiden Anlagen müssen 7.675 qm Wald dauerhaft gerodet werden. Davon werden 605 qm nach dem Bau der WEA wieder aufgeforstet. Mit den Rodungen auf dem Höhlerberg soll im Herbst 2023 begonnen werden. Die Bauarbeiten sollen im Herbst 2025 abgeschlossen sein. Als Ausgleich für den gerodeten Wald wird in der Gemarkung Steinbach eine Aufforstung mit Buchen erfolgen. Weiterhin werden Waldflächen aus der Nutzung genommen und aufgewertet. Zum Schutz der Fledermäuse sind die WEA mit einer Abschaltanlage versehen.
Beim Schall werden die Grenzwerte, auch im Bereich der Klinik, eingehalten. Beim Schattenwurf kann es rein rechnerisch eine Überschreitung geben. Sollte dieser Fall eintreten, wird die Anlage abgeschaltet.
Stromertrag und Beteiligung vor Ort
Beide Anlagen werden einen Stromertrag von circa 28.000 Megawattstunden (MWh) pro Jahr liefern. Dies entspricht dem jährlichen Strombedarf von rund 7.000 Haushalten. Nach dem EEG (Erneuerbare-Energien-Gesetz) erhalten die Gemeinden im Radius von 2,5 km um eine WEA 0,2 Cent pro produzierte Kilowattstunde (kWh). Die finanzielle Beteiligung der Kommunen beläuft sich demnach auf 56.000 € pro Jahr, wobei die Verteilung entsprechend der Flächen erfolgt: Lich erhält 41 %, Fernwald 33 % und Pohlheim 26% des Betrags.
Erweiterung des Windenergieparks Höhlerberg geplant
Auf dem Windvorranggebiet können voraussichtlich sechs Anlagen errichtet werden. Daher wird derzeit für vier weitere Anlagen (gleiche Gesamthöhe, aber höhere Nennleistung) die Antragsstellung geprüft. Für diese WEA bieten die Projektierer zusätzlich zur Gemeindebeteiligung nach EEG eine echte Bürgerbeteiligung, z. B. über eine Bürgerenergiegenossenschaft, an.
Expertinnen und Experten beantworten Fragen aus dem Publikum
In der anschließenden Diskussion beantworteten Anna Fritsch (Qair GmbH), Dr. Julien Neubert (Bürgermeister Stadt Lich), Gerhard Pitz (Erster Beigeordneter Gemeinde Fernwald), Dr. Werner Neumann (BUND e.V.) und Dr. Ingo Ewald (Ingenieurbüro für Erneuerbare Energien, im Auftrag von Qair) Fragen zum Projekt, aber auch zur Energiewende und zum Naturschutz.
Fragen und Antworten zur Windenergie auf dem Höhlerberg können hier eingesehen werden: Fragen und Antworten zur Windenergie auf dem Höhlerberg
Die Gesamtpräsentation mit den Vorträgen der Referentinnen und Referenten steht hier zur Verfügung Präsentation (pdf 6 MB)
Weitere Informationen
Stadt Lich: www.lich.de
Projektwebseite: www.windpark-hoehlerberg.de